Zeit, dass sich was ändert!

Im § 31 des Landesbeamtenversorgungsgesetzes Berlin ist der Dienstunfall definiert.
Ein Dienstunfall ist nach Absatz 1 „…ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.“
Im Absatz 3 wird ergänzend ausgeführt: „Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies als Dienstunfall (…). Die in Betracht kommenden Krankheiten bestimmt der Senat von Berlin durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.“

Diese Regelungen wurden nach der Föderalismusreform im Jahr 2006 aus dem im Januar 1977 in Kraft getretenen Beamtenversorgungsgesetz des Bundes (§ 31 BeamtVG) übernommen und haben seit dem unverändert Gültigkeit.

In der Schießstandaffäre der Berliner Polizei gab es sehr wohl schädigende Ereignisse, die als Dienstunfälle im Sinne des § 31 (1) anzusehen sind. Durch mangelhafte Be- und Entlüftungsanlagen kam es zur verstärkten Aufnahme der bei der Schussabgabe freigesetzten toxischen Stäube und Dämpfe, die eine Schädigung der Atemwege verursachten (Inhalationstrauma). Diese sogenannten „Akutsymptome“ während des Schießtrainings wurden von den medizinischen Experten der Bewertungskommission Fürsorgefond unter Berücksichtigung der Umstände auf den Berliner Schießständen als vollkommen plausibel angesehen. Sie wurden von den betroffenen Dienstkräften in der Vergangenheit jedoch nur in wenigen Einzelfällen zur Anzeige gebracht.
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Es ist medizinisch nachgewiesen, dass diese Stoffe im Falle wiederholter Aufnahme über einen längeren Zeitraum auch in kleinsten Mengen schwere Erkrankungen hervorrufen können. Viele betroffene Dienstkräfte erlitten Gesundheitsstörungen, die einen Zusammenhang mit den Belastungen durch toxische Schwermetalle wie Blei in Stäuben, aber auch giftigem Kohlenmonoxid in den Dämpfen erkennen lassen. Viele Mitarbeitende berufen sich daher auf den §31 (3) LBeamtVG, da Erkrankungen durch Blei und Kohlenmonoxid im Berufskrankeitenkatalog aufgeführt sind.
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Das deutsche Rechtssystem sieht vor, dass der Beweis eines eingetretenen Schadens durch das Handeln oder Unterlassen eines anderen von dem Geschädigten zu erbringen ist. Dass Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr möglich sind, belegen eine Vielzahl höchstrichterlicher Entscheidungen.

Die Kausalität zwischen den Belastungen auf den Schießständen und den aufgetretenen Erkrankungen muss von den Beamtinnen und Beamten erbracht werden. Dies ist im konkreten Fall schwierig bis unmöglich, da die schädigenden Ereignisse so lange zurück liegen, dass die akuten oder chronischen Vergiftungen nicht mehr oder nur mit einem hohen gesundheitlichen Risiko für die Betroffenen (Provokationstest, Knochenbiopsie) nachgewiesen werden können. Von solchen Maßnahmen rät unter anderem das Universitätsklinikum Charité auf Anfrage der Betroffenen ab.
Die Arbeitsschutzvorschriften wurden seit dem Jahr 1977 regelmäßig den medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Die gewachsenen Möglichkeiten technischer Unfallverhütung am Arbeitsplatz führten zu einer kontinuierlichen Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen.

Für das Errichten und Betreiben von Schießanlagen existierem neben den allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften die Schießstandrichtlinien. Diese stellen neben der baulichen Beschaffenheit (Böden, Wände, Decken) die Raumlufttechnischen Anlagen (RLT) für überdachte Schießstände (Raumschießanlagen) in den Vordergrund. Ursächlich für die erheblichen Belastungen der Dienstkräfte der Berliner Polizei waren eben diese veralteten Raumlufttechnischen Anlagen, die den technischen Entwicklungen nicht angepasst wurden bzw. für die Art des polizeilichen Schießtrainings überhaupt nicht konzipiert worden waren.
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Seit mittlerweile vier Jahren warten die durch die toxischen Substanzen geschädigten Beamtinnen und Beamten auf Entscheidungen zu ihren angezeigten Dienstunfällen. Weder die vom Berliner Senat beauftragte Charitéstudie („SchießExpoBerlin“) noch derzeit laufende Untersuchungen eines arbeitsmedizinischen Instituts aus Dresden können die für die Anerkennung der Gesundheitsstörungen als Dienstunfall erforderliche Kausalität erbringen. Ebensowenig können sie einen kausalen Zusammenhang zwischen den Belastungen auf den Schießanlagen durch gesundheitsschädliche Stäube, Dämpfe und Gase und den aufgetretenen Erkrankungen der Dienstkräfte widerlegen!

Das Dienstunfallrecht in seiner derzeitigen Form lässt Formulierungen vermissen, die die Beweislast in Fällen eindeutiger Verstöße gegen geltendes Arbeitsschutzrecht – im Falle des Berufsbeamtentums der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn – umkehrt.

Nach Zuarbeit durch den Bund Deutscher Kriminalbeamter und unseres Vereins hat die Berliner CDU einen Antrag eingebracht, die Vorschriften des Landesbeamtenversorgungsgesetzes Berlin nach den Erkenntnissen aus der Schießstandaffäre zu ergänzen.

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