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Messerkriminalität und Realitätsverlust - Teil 1

Messerkriminalität

Teil 1, Shitstorm

Berlin braucht BISS – und keine Angst vor dem Shitstorm

Politiker heutzutage ersetzen gerne das, was sich bewährt hat, durch das, was sich lediglich gut anhört. Das Ergebnis dieser Strategie im Bereich der Sicherheitspolitik ist täglicher Bestandteil der Medien: 3412 Messerangriffe allein in Berlin im Jahr 20241. Also „nur“ zehn pro Tag? Weit gefehlt! Realistisch betrachtet sind es vermutlich sogar über 10.000 Angriffe mit Messern im Jahr in der Hauptstadt. Also eher 30 pro Tag.

Der Grund für diese stark abweichende Zahl ist einfach: Die Angst der Politik vor der Realität. Die Grundlage für die beschönigende Darstellung des Alltags in Berlin ist eine Kriminalstatistik, die der Politik das mediale Leben bequem macht. Denn, die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ (PKS) blendet alles aus, was die Bürger der Stadt aus Angst nicht anzeigen. Und das ist eine Menge.

Was die Polizeiliche Kriminalstatistik verschweigt

Laut Bundeskriminalamt (BKA) werden im Schnitt nur ca. 30 Prozent der Gewaltdelikte angezeigt:
„Anzeigeverhalten: Mit wenigen Ausnahmen (z. B. Kfz-Diebstahl) wird nur ein Teil der Straftaten zur Anzeige gebracht. Die Anzeigewahrscheinlichkeit ist dabei nach Deliktart und -schwere, nach Täter- und Opfermerkmalen oder nach Täter-Opfer-Beziehungen sehr unterschiedlich (so lag in der aktuellen Dunkelfelduntersuchung des BKA, dem Viktimisierungssurvey 2017, beispielsweise die Anzeigequote in Fällen des persönlichen Diebstahls bei ca. 42% und in Fällen des Raubes bei ca. 32%).“2

Ein riesiges Dunkelfeld – vor allem bei Sexualdelikten

Die Studie für diese Zahlen auf der aktuellen Webseite des BKA stammt aus dem Jahr 2017 und die Anzahl der Bürger, die sich nicht trauen zur Polizei zu gehen (oder die sich von den Strafverfolgungsbehörden keine Hilfe mehr erhoffen) dürfte heute deutlich höher liegen. Bei den Sexualdelikten ist das Dunkelfeld so enorm, dass es das Vorstellungsvermögen mancher ehrlichen Menschen sprengt. Einige Fachleute gehen davon aus, dass lediglich 10 Prozent oder weniger dieser Straftaten angezeigt werden.3 Wir kommen darauf noch zu sprechen.

Der Preis des Schweigens: Realitätsverlust aus Angst vor Empörung

Was treibt die Politiker in den, für den Bürger manchmal tödlichen, Realitätsverlust? Wir vermuten ganz oben auf der Liste der möglichen Gründe: die Angst vor dem Shitstorm4. Sie entsteht, wenn Machterhalt wichtiger wird als Aufrichtigkeit, wenn Empörung mehr zählt als Realität, und wenn Kommunikation ersetzt, was eigentlich Führung sein müsste. Das Schweigen der Politik zu den Ursachen der Messerkriminalität ist nicht zufällig, es ist genau kalkuliert.

Politische Kommunikation unter öffentlichem Druck

Politische Kommunikation findet heute zu großen Teilen öffentlich, dauerhaft dokumentiert und sofort kommentierbar statt. Ein einziger aus dem Zusammenhang gerissener Satz, kann innerhalb von Minuten einen empörten Mob mobilisieren, organisiert durch ideologisch motivierte Aktivisten oder „Betroffenheitslobbys“.
Für den betroffenen Politiker droht damit immer sofort:

  • Rufschädigung
  • öffentlicher Rücktrittsdruck
  • Verlust von Koalitionsrückhalt
  • mediale Hetzjagd.

Selbsterhalt statt Führung – ein politisches Dilemma

In der Folge agieren Politiker zunehmend vorsichtig, diffus oder ausweichend – nicht aus Feigheit, sondern aus Selbsterhalt. Kein Wunder, dass viele Berufspolitiker zu Karrieristen ohne Standpunkt mutieren, die zwar gelernt haben, wie man im Politikdschungel überlebt, aber nicht, wie man führt und Probleme löst.

Was Politiker heute brauchen: Rückhalt – und BISS

Politiker, die in dieser Atmosphäre trotzdem den Mut zur Wahrheit finden wollen, brauchen Rückhalt – aus der eigenen Partei, aus der Verwaltung, aus der Bevölkerung. Und sie brauchen BISS – für klare, faktenbasierte Argumente aus der Praxis.

1 Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 19/22113
2 BKA - Kriminalstatistisch-kriminologische Analysen und Dunkelfeldforschung
3 BKA - Ergebnisse
4 Begriff aus der digitalen Kommunikation. Bezeichnet eine meist massenhaft organisierte, oft emotional aufgeladene Welle öffentlicher Empörung gegen eine Person, Organisation oder Aussage – typischerweise in sozialen Medien. Ein Shitstorm kann berufliche, mediale oder politische Konsequenzen haben, unabhängig von der inhaltlichen Substanz der Kritik.

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