Menschenhandel bleibt in Deutschland oft ungestraft trotz Gesetzen.
Warum B.I.S.S. sich zur Beamtenbesoldung äußert
Die Berliner Initiative Sichere Stadt (B.I.S.S. e.V.) arbeitet für Kriminalprävention, innere Sicherheit und den Schutz besonders verletzlicher Menschen. Dafür braucht es einen handlungsfähigen, verlässlichen Staat – und Beamtinnen und Beamte, die ihrem Dienstherrn vertrauen können.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Berliner A-Besoldung betrifft dieses Vertrauensverhältnis unmittelbar. Deswegen nehmen wir dazu Stellung, ohne Einzelfälle zu bewerten oder parteipolitische Positionen zu vertreten.
Ausgangspunkt: Langjährige Unteralimentation
Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Berliner A-Besoldung über viele Jahre in weiten Teilen nicht amtsangemessen war. Die Verantwortung liegt beim Land Berlin als Dienstherrn und Gesetzgeber.
Die verfassungsrechtlichen Vorgaben – einschließlich Fristen und „zeitnaher Geltendmachung“ – sind zu beachten. Innerhalb dieses Rahmens hat der Gesetzgeber aber Gestaltungsspielräume, um faire und sachgerechte Lösungen zu finden. Genau diese Spielräume sehen wir in der Pflicht, wenn es um die Behandlung aller betroffenen Beamtinnen und Beamten geht.
Die Lage der Beamten ohne Widerspruch
Viele Berliner Beamtinnen und Beamte haben keinen jährlichen Widerspruch gegen ihre Besoldung eingelegt.
Das ist nachvollziehbar:
- Die Frage, ob eine Besoldung verfassungswidrig ist, lässt sich ohne spezialisiertes Wissen und komplexe Daten kaum beurteilen.
- Es entspricht der normalen Erwartung, dass vom Parlament beschlossene Besoldungstabellen rechtmäßig sind und Beamte nicht jedes Jahr vorsorglich gegen ihren eigenen Dienstherrn Widerspruch einlegen müssen.
- Dienstliche Hinweise und Rundschreiben haben zudem den Eindruck verstärkt, dass jährlich wiederholte Widersprüche nicht erforderlich seien.
Wenn nun ausgerechnet diese Gruppe weitgehend von Nachzahlungen ausgeschlossen bleiben soll, verkehrt sich Vertrauen in einen Nachteil. Nicht das Ausmaß der Betroffenheit, sondern das individuelle Prozessverhalten würde darüber entscheiden, wer eine verfassungswidrige Unteralimentation finanziell ausgleichen kann. Aus Sicht von B.I.S.S. e.V. ist das rechtspolitisch problematisch und gefährdet das Vertrauen in einen fair handelnden Staat.
Rechtsstaatliche Gesichtspunkte für eine Einbeziehung
Mehrere Grundgedanken sprechen dafür, auch Beamte ohne Widerspruch in eine Lösung einzubeziehen:
- Vertrauensschutz und Fürsorgepflicht
Das Beamtenverhältnis basiert auf gegenseitiger Treue. Wer dem Staat über Jahre dient und auf die Rechtmäßigkeit seiner Besoldung vertraut, sollte daraus nicht schlechter gestellt werden als diejenigen, die dauerhaft Widerspruch führen konnten. - Gleichbehandlung der Betroffenen
Objektiv waren alle Beamtinnen und Beamten, die unter denselben Besoldungsregeln standen, von der Unteralimentation betroffen. Ein rein formaler Unterschied nach Widerspruchsverhalten führt zu Ungleichheiten, die sich sachlich nur schwer begründen lassen. - Effektiver Rechtsschutz
Rechtsschutz ist nur dann wirksam, wenn er praktisch erreichbar ist. Wenn die Durchsetzung verfassungsmäßiger Ansprüche faktisch davon abhängt, ob jemand über Jahre Zeit, Kraft und juristisches Spezialwissen für individuelle Verfahren hatte, läuft dieser Anspruch für viele leer. Eine gesetzliche, generalisierende Regelung kann dem entgegenwirken. - Kein dauerhafter Vorteil aus verfassungswidrigen Zuständen
Es entspricht dem Selbstverständnis eines Rechtsstaats, dass er aus eigenen verfassungswidrigen Regelungen keinen dauerhaften finanziellen Vorteil ziehen sollte. Wenn eine Unteralimentation festgestellt ist, liegt es nahe, Lösungen zu wählen, die nicht nur eine formell kleine Gruppe, sondern die tatsächlich betroffene Beamtenschaft angemessen berücksichtigen.
Bedeutung für Kriminalprävention und innere Sicherheit
Für B.I.S.S. e.V. ist die Besoldungsfrage kein Selbstzweck. Sie wirkt direkt auf unsere Themen:
- Motivation, Bindung und Nachwuchsgewinnung bei Polizei, Justiz, Verwaltung und Schulen hängen auch davon ab, ob der Dienstherr als verlässlich und gerecht erlebt wird.
- Wer den Eindruck gewinnt, dass verfassungswidrige Zustände über Jahre hingenommen und Vertrauen nachträglich sanktioniert werden, wird schwerer zu zusätzlichem Engagement bereit sein.
- Ein Staat, der Fehler erkennt, offenlegt und fair korrigiert, sendet ein wichtiges Signal an diejenigen, die ihn in sicherheitsrelevanten Bereichen tragen.
Eine faire Lösung für alle Betroffenen – einschließlich derjenigen ohne Widerspruch – ist deshalb auch ein Beitrag zu einem stabilen, sicher handlungsfähigen Gemeinwesen.
Unsere Erwartungen an Gesetzgeber und Dienstherrn
B.I.S.S. e.V. führt keine Musterprozesse und trifft keine Wahlempfehlungen. Wir formulieren Erwartungen an die politisch Verantwortlichen:
- Transparente Aufarbeitung
Umfang und Ursachen der Unteralimentation sollten offen und verständlich dargestellt werden – einschließlich der Frage, warum viele Beamtinnen und Beamte keinen Widerspruch eingelegt haben. - Gesetzliche Lösung für alle Betroffenen
Innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen sollten Modelle entwickelt werden, die auch Beamtinnen und Beamten ohne Widerspruch eine angemessene Beteiligung an den Nachzahlungen ermöglichen. - Berücksichtigung von Zeit und Wertverlust
Bei der Ausgestaltung von Nachzahlungsregelungen sollte berücksichtigt werden, dass lange Verfahrensdauern, Inflation und steuerliche Effekte den realen Wert einer bloßen Nachzahlung deutlich mindern können. - Strukturen für die Zukunft
Senat und Abgeordnetenhaus sollten Mechanismen schaffen, die verfassungswidrige Besoldungszustände frühzeitig erkennen und korrigieren – etwa durch regelmäßige unabhängige Prüfungen und klare Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten.
Schluss
B.I.S.S. e.V. ist parteipolitisch neutral. Unser Anliegen ist ein verlässlicher, rechtsstaatlich handelnder Staat, der diejenigen fair behandelt, die ihn im Alltag tragen.
Wir sind überzeugt: eine Lösung, die auch die Beamtinnen und Beamten ohne Widerspruch angemessen berücksichtigt, entspricht nicht nur dem Gerechtigkeitsempfinden, sondern stärkt langfristig Vertrauen, innere Sicherheit und die Grundlage wirksamer Kriminalprävention.